Kind baut mit Orthoptistin einen Becherturm

CVI - zentral bedingte Sehstörungen

Sehen braucht Auge und Gehirn

„CVI“ steht für den englischen Begriff „cerebral visual impairment“ und meint eine kindliche "hirnbedingte" Sehstörung. Es handelt sich also nicht um eine Funktionsstörung der Augen, sondern um Störungen der Wahrnehmung und Verarbeitung visueller Reize im Gehirn. Diese haben oft deutliche Auswirkungen auf die Allgemeinentwicklung eines Kindes, sowie auf das Lernen und Denken.
 

Wahrnehmungsstörungen haben ihre Ursache in einer fehlerhaften Verarbeitung des Gesehenen im Gehirn. 

Gute Augen alleine sind keine Garantie für beschwerdefreies Sehen. Es braucht auch eine intakte Verarbeitung der Seheindrücke im Gehirn.


Wenn Ihr Kind die Volksschule besucht und viele Abschreibfehler macht, nicht entlang von Zeilen oder Linien schreiben kann, eher tollpatschig ist oder Konstruktionsspiele wie Lego oder Puzzle meidet, könnte eine Störung der visuellen Wahrnehmung (CVI) vorliegen. Wenden Sie sich bei einem Verdacht an die Orthoptist:innen, die Spezialist:in für Wahrnehmungsstörungen des Sehens (visuellen Wahrnehmungsstörungen) ist. 

Wahrnehmungsstörungen werden NICHT durch eine Störung des Auges (Organschädigung, Beeinträchtigungen des ein- oder beidäugigen Sehens wie Fehlsichtigkeiten oder Schielen) ausgelöst. Die Ursache liegt in einer fehlerhaften Verarbeitung des Gesehenen im Gehirn.

Diese visuelle Verarbeitungsschwächen sind unabhängig von der Intelligenz eines Kindes, sie können jedes Kind treffen. Kinder mit CVI haben aber häufig eine medizinische Vorgeschichte wie z.B. einen Sauerstoffmangel bei der Geburt. CVI ist nicht zu verwechseln mit Lese- (Legasthenie) oder Rechenschwäche (Dyskalkulie).

Unerkannt und unbehandelt führen Wahrnehmungsstörungen häufig zu deutlichen Schulproblemen.


Wie zeigt sich CVI?

Folgende visuelle Auffälligkeiten bei Schulkindern können ein Hinweis auf das Vorliegen von CVI sein:

  • Das Kind kann sich noch nicht selbständig richtig anziehen, es vertauscht die Schuhe, kann die Masche nicht selbst binden.
  • Das Kind verläuft sich oft auf ihm eigentlich bekannten Wegen.
  • Das Kind verliert schnell den Überblick auf Arbeitsblättern. 
  • Das Kind hat vermehrt Leseschwierigkeiten, es besteht ein Verdacht auf Legasthenie, weil Buchstaben und Zahlen verdreht werden. (Leseschwierigkeiten)
  • Das Kind hat Probleme beim Erfassen und Bearbeiten von Textaufgaben.
  • Das Kind kann farbig unterlegte Texte nur schwer lesen.
  • Das Kind hat Schwierigkeiten (mit der Ziffernreihenfolge) beim Rechnen.
  • Das Kind reagiert nicht richtig auf Gesichtsausdrücke (Mimik).
  • Das Kind kann sich Formen/Objekten/Bilder nicht gut merken.
     


Wie läuft eine CVI-Abklärung in der Orthoptik ab?

Kind zeigt auf einer Vorlage einen Stern

Bei Vorliegen eines CVI-Verdachtes werden die Augen ihres Kindes zuerst organisch (AugenfachÄrzt:in) und orthoptisch (Orthoptist:in) untersucht. Eventuell kann eine verordnete Brille bereits eine Erleichterung für das belastete Sehsystem Ihres Kindes bedeuten. 

Anschließend wird ein CVI-Screening durchgeführt. Zeigt dies Auffälligkeiten, erfolgt in einem weiteren Termin die meist einstündige CVI-Funktionsdiagnostik mittels der „CVI- Box 2“1. Hierbei werden unterschiedliche Teilbereiche der visuellen Wahrnehmung wie z.B. visuelle Suche, visuelle Form- und Objekterkennung, Erkennung von Gesichter/ Zahlen/ Buchstaben, visuelles Gedächtnis oder visuelle räumliche Wahrnehmung geprüft. In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Kinderpsychologie, Ergotherapie, Logopädie und Pädagogik wird ein individueller Therapie- und Förderplan erstellt.

Gutes Sehen braucht Auge und Gehirn!

Ein frühzeitiges Erkennen von visuellen Auffälligkeiten und Dagegenwirken mit gezielten Behandlungen und Förderungen sind essentiell für eine nachhaltige Verbesserungen der Lebenssituation. Störungen der Entwicklung von Hirnfunktionen eines Kindes sind schicksalhaft. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die betroffenen Kinder die richtige Diagnostik, Behandlung und nötige Förderung durch spezialisierte Fachkräfte erlangen!


Autorin

Doris Martius-Nusser, Orthoptistin

Quelle

  1. Sieger, M., & Stögerer, B., (2023): Handbuch zur CVI-Box 2 (Version 4.0). Wien: orthoptik-austria
  2. Dik, H. et al., (2015): Das Kind mit Cerebralen Visuellen Informationsverarbeitungsstörungen CVI. Wien: Bundesministerium für Bildung und Frauen

Hier gelangen Sie zur Informationsbroschüre des Bildungsministeriums 2015: das Kind mit cerebralen visuellen Invormationsverarbeitungsstörungen (CVI). Die Broschüre soll als Information, Hilfestellung und als Nachschlagewerk dienen, um sowohl Pädagog:innen und Schulpsycholog:innen im österreichischen Schulwesen als auch den betroffenen Erziehungsberechtigten einen Einblick in das Thema CVI zu geben.